Heil will Gesetz für neue Regelung von Hartz 4

Mehr als 15 Jahre nach Inkrafttreten der Hartz-IV-Reform will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) mit einem Gesetz die Regeln für Langzeitarbeitslose (Hartz 4) deutlich entschärfen.

Künftig sollen Grundsicherungsempfänger nicht mehr mit außergewöhnlichen Härten durch Sanktionen bei Pflichtverletzungen rechnen müssen. Der bereits im Zuge der Corona-Pandemie eingeführte vereinfachte Zugang zur Grundsicherung für Arbeitsuchende solle „stabilisiert“ werden, heißt es in einem der Nachrichtenagentur in Berlin vorliegenden Gesetzentwurf.

Der „Spiegel“ hatte bereits am Vortag ein Interview mit Heil veröffentlicht. Dort hatte Heil angekündigt: „Die Grundsicherung muss eine Sozialleistung werden, für die sich niemand schämen muss, der sie braucht.“

Sanktionspraxis der Arbeitsagentur

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Sanktionspraxis der Arbeitsagentur nach jahrelanger Kritik bereits im November 2019 stark eingeschränkt. Seit 2005 hatten die Jobcenter unkooperative Hartz-IV-Empfänger nach dem Prinzip „Fördern und Fordern“ diszipliniert, indem sie den Geldhahn zudrehten. Das Bundesverfassungsgericht hat am 5. November 2019 entschieden, dass monatliche Abschläge von 60 Prozent und mehr nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Die Arbeitsämter dürfen die monatliche Leistung um bis zu 30 Prozent kürzen, wenn Hartz-IV-Empfänger ihren Verpflichtungen nicht nachkommen.

Seit dem Urteil ist die alte Sanktionspraxis durch Weisungen des Arbeitsministeriums und der Bundesagentur entschärft worden. Wegen der Corona-Pandemie gab es ohnehin immer weniger Sanktionen. Heil will nun per Gesetz dauerhaft regeln, dass die monatlichen Kürzungen 30 Prozent des Regelbedarfs nicht überschreiten. Dies soll nach dem Entwurf dann gelten, wenn Leistungsempfänger wiederholt gegen ihre Pflichten verstoßen oder persönliche Meldetermine ohne triftigen Grund versäumt haben.

Leistungskürzungen sollen strenger geprüft werden

Nach Heils Plänen soll niemand Angst haben müssen, dass die Wohnkosten durch geringere Leistungen beeinträchtigt werden. Bei jeder Leistungskürzung sollte geprüft werden, ob es sich um eine außergewöhnliche Härte im Einzelfall handelt. Insbesondere über die verschärften Sonderregeln für junge Menschen unter 25 Jahren wird seit Jahren gestritten – nach Heils Plänen sollen diese nun endlich aufgehoben werden.

Dauerhafter Zugang zur Grundsicherung

Das geplante Gesetz soll auch in der Corona-Krise einen dauerhaften Zugang zur Grundsicherung sicherstellen. Während der Krise wurde die Prüfung des Arbeitsamtes auf Wohnung und Vermögen ausgesetzt – nämlich wie groß die Wohnung ist und ob sie über Ersparnisse von bis zu 60.000 Euro verfügen. Während einer Wartezeit von zwei Jahren, so der Entwurf, muss das Vermögen in der genannten Höhe geschützt werden und die Mietkosten werden nicht auf Angemessenheit geprüft.

Das Ministerium: „Wir wollen einen Sozialstaat auf Augenhöhe, der mehr Sicherheit bietet und neues Vertrauen schafft.“ Wer zum Beispiel Zeitarbeit suche und unter die Grundsicherung falle, müsse darauf vertrauen können, dass er sich vorerst keine Sorgen um Ersparnisse und die Wohnsituation machen müsse.

Meinung der Union abwarten

In den kommenden Wochen wird es nun darauf ankommen, wie die Union zu den Rettungsplänen steht. Sollte es in dieser Legislaturperiode keine weiteren Reformen geben, könnten die Pläne für die SPD zur Vorlage für den Start des Bundestagswahlkampfs werden. Die Sozialdemokraten hatten auf ihrem Parteitag im Dezember 2019 bereits beschlossen, Hartz IV zu verlassen und in zentralen Fragen mit der Agenda ihres Altkanzlers Gerhard Schröder zu brechen. Die Vorschläge der SPD gingen weit über die nun gesetzlich geplante Hartz-Reform hinaus.

Gewerkschaften reagierten mit Begeisterung auf die Rettungspläne

DGB-Chef Reiner Hoffmann sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Das ist ein gesellschaftspolitischer Meilenstein.“ Damit könnte der seit Jahren schwelende und von vielen als diskriminierend empfundene Konflikt um das Hartz-IV-System entschärft werden. „Jetzt liegt es an der Unionsfraktion, diese Reformpläne konstruktiv zu begleiten.

Derweil fordert das Sozialgericht, das Hartz 4 Empfänger einen Anspruch auf 20 gratis FFP2-Masken pro Woche erhalten sollen. Dies führt aktuell zu sehr vielen Diskussionen. Grund dafür ist: Die Bundesregierung will Hartz-IV-Empfängern 10 kostenlose FFP2-Masken zur Verfügung stellen. Ein Gericht in Karlsruhe hat nun beschlossen: Das ist nicht genug! Dies führt zu viel Unverständnis bei den Bürgern die kein Hartz 4 beziehen und die Masken selbst (oft für teures Geld) kaufen müssen.

Die Hartz-Reformen wurden zwischen 2003 und 2005 von der rot-grünen Bundesregierung unter Schröder umgesetzt. Sie führten zum Teil zu spürbaren Einschnitten bei den Sozialleistungen, etwa bei der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes.

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